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Was tun wenn Kinder streiten?

Zu dieser Frage gibt es viele Antworten. Warum aber überhaupt diese Frage?
Kinder atmen, spielen, rennen, sie tun unendlich viele Dinge, und eine Sache ist eben: Streiten.

Wieso machen wir uns so viele Gedanken darüber? Es sind sehr anstrengende Gedanken, voll Drang nach einer Lösung, nach einer guten Lösung. So, als wären wir aufgerufen, anstelle der Kinder ihren Streit zu beenden. Wenn Kinder rennen, kann man sich auch Gedanken machen, wie sie rennen, wohin, wie schnell, wie schön oder wie hässlich. Aber das sind Gedanken von anderer Art. Das Nachdenken über die Streiterei bei den Kindern springt uns an, davon kommt man nicht los, das scheint nötig zu sein.

Wenn Katzen streiten, wenn Hunde streiten – da können wir zusehen und es ihnen überlassen, wie sie das regeln (es sei denn, sie sind dabei, sich schwer zu verletzen, aber davon ist jetzt nicht die Rede; es geht um den normalen Kleinkrieg, bei den Tieren, bei den Menschen). Sind Kinder weniger wert, in Ruhe gelassen zu werden? Was verstrickt uns Erwachsene in den Streit der Kinder?

Wenn wir die Kinder in Ruhe lassen, wird das Leben weitergehen. Sicher. Aber wir können sie nicht in Ruhe streiten lassen. Weil ...? Weil sie etwas Unschönes tun, etwas, das sie nicht tun sollten. Genau so darüber nachzudenken haben wir gelernt, als wir Kinder waren. Wir erlebten, dass die Erwachsenen sich einmischten, wenn wir stritten. Das ist so gelernt, wie wir gelernt haben, dass man »Guten Tag« sagt. Kinder streiten – Erwachsene greifen ein.

  Ist das sinnvoll, nötig, unabänderlich? Bevor man darangeht, sich Gedanken darüber zu machen, wie man (am besten) eingreift, kann sich jeder darüber klar werden, ob es ihn überhaupt zum Handeln drängen muss, wenn Kinder streiten.

In der Streitfrage hängen wir an einem Marionettenfaden, gesponnen in unserer Kindheit: »Du musst etwas tun, wenn Kinder streiten. Das gehört sich so für Erwachsene.« Diesen Faden habe ich nun selbst in der Hand. Ich gewinne Souveränität über mich zurück. Wenn Kinder streiten, ist es meine Sache, ob ich überhaupt darauf reagieren und etwas tun will. Ich muss dies nicht. Ich könnte etwas tun, wenn Kinder streiten. Aber was will ich erreichen? Ruhe im Kinderzimmer? Frieden? Versöhnung? Gerechtigkeit?

Das sind schöne Ziele. Doch werden die Kinder jetzt dafür ein offenes Ohr haben, wo es um ihren Bauklotz geht? Den Kindern geht es um »ihren« Bauklotz. Mir geht es um diese Ziele. Ich sage nicht, dass meine Ziele unsinnig sind, ich überlege nur, dass ich mit meinen Zielen ganz woanders bin als die Kinder. In einer anderen Welt, der Welt der Ethik und Moral. Während die Kinder in der Welt der Dinge sind und dort streiten.

Wenn ich auf der dinglichen Ebene der Kinder sein möchte, dann ist das einfach: Ich verbünde mich mit einem von ihnen und sorge dafür, dass es gewinnt, also den Bauklotz bekommt. Und fertig. Und das andere Kind? Es hat verloren und keinen Bauklotz. Und fertig. Aber wie soll es das finden? Will ich auf der moralischen Ebene verhandeln? Ihm beibringen, dass es nicht Recht hat, dass er der kleinen Schwester auch mal etwas abgeben soll? Meine ich im Ernst, dass meine Moralvorstellungen für den Verlierer von Interesse sind? Es sind die Moralvorstellungen des Siegers, und es ist nicht gelungen, den Verlierer zusätzlich zum Verlust des Bauklotzes auch noch um seine Moralvorstellungen bringen zu wollen.

Wenn ich nichts erreichen will – dann lasse ich die Kinder in Ruhe.

Wenn ich aber etwas erreichen will – dann könnte ich mir klar machen, dass es um meine eigenen Vorstellungen geht (nicht um die der Kinder), wie die Situation weitergehen soll. Ich tue also etwas für mich selbst, nicht für die Kinder. Die sind zwar davon betroffen, aber zunächst geht es um mich selbst. Das zu wissen befreit und entlastet. Denn wenn es um mich geht, wenn Kinder streiten, geht der Stress zurück, jetzt die richtige Lösung für die Kinder finden zu müssen.

  Ich schaue also wie stets in der Amication zunächst zu mir: »Was will ich wirklich, was kommt mir zu?« Ich kann versuchen, das für mich Beste beim Streiten der Kinder herauszufinden und ins Spiel zu bringen, was immer das ist. Was immer das ist! Ich kann Partei ergreifen, meckern, besänftigen, einen Kompromiss suchen, schlichten, verurteilen, tricksen, ablenken, wütend sein, mitfühlend sein, den Überblick behalten, ihn verlieren – tausend Möglichkeiten.

Der Punkt, auf den es ankommt, ist: Ich bin der Chef meines Lebens. Auch hier. Auch, wenn Kinder streiten. Was immer ich tue – es ist sinnvoll. Die Kinder werden sofort rückmelden, wie sie mein Eingreifen finden. Und dann kann ich dabei bleiben oder es verändern. Wieder mit dem Gefühl, mein eigener Chef zu sein.